MEDIZIN Jedes Jahr werden in der Diak-Kinderklinik um die 20 Frühchen unter 1250 g Geburtsgewicht mit großer medizinischer Expertise betreut. Jetzt droht die Gefahr, dass diese Maximalversorgung nächstes Jahr verlorengeht, weil die Mindestmenge von 25 Babys aktuell um 4 Frühchen nicht erreicht wird. Landrat Gerhard Bauer hat sich deshalb an Sozialminister Lucha gewandt.
MEDIZIN Jedes Jahr werden in der Diak-Kinderklinik um die 20 Frühchen unter 1250 g Geburtsgewicht mit großer medizinischer Expertise betreut. Jetzt droht die Gefahr, dass diese Maximalversorgung nächstes Jahr verlorengeht, weil die Mindestmenge von 25 Babys aktuell um 4 Frühchen nicht erreicht wird. Landrat Gerhard Bauer hat sich deshalb an Sozialminister Lucha gewandt.
Als bei Tetiana Voinovan heftige Wehen einsetzen, ist die in Wallhausen lebende Ukrainerin völlig überrascht. Sie ist erst in der 28. Schwangerschaftswoche und bis dahin verlief alles völlig normal. Die bisherigen Untersuchungen hatten keinerlei auffällige Befunde ergeben. Doch nun herrscht helle Aufregung. Ihr Mann Vitali zögert nicht lange, hilft seiner Frau ins Auto und fährt mit ihr ins Crailsheimer Krankenhaus. Die Ärzte dort sehen schnell, dass Gefahr in Verzug ist, dass die Schwangere schnellstmöglich in ein Krankenhaus der Maximalversorgung muss. Ein Rettungswagen transportiert Tetiana Voinovan ins Diak Klinikum in Schwäbisch Hall und dort bringt sie ihren Sohn Pavel zur Welt – ein Frühchen.
In der Diak-Neugeborenenstation wissen Ärzte und Pflegekräfte, was zu tun ist bei Problemgeburten, denn die Kinderklinik ist als Perinatalzentrum mit dem Level 1 klassifiziert. Das bedeutet, dass Frühgeborene in solchen Kliniken bestmöglich versorgt werden – auf dem höchsten medizinischen Standard, den es in Deutschland gibt. Doch genau der soll nun in Schwäbisch Hall abgebaut werden, weil im Diak Klinikum die Mindestzahl von 25 sehr kleinen Frühchen nicht ganz erreicht wird. Zum Stichtag 30. Juni waren es 21 Frühchen, also 4 weniger als die Mindestmenge.
Davon weiß Tetiana Voinovan nichts. Sie ist einfach nur froh, dass ihrem Pavel, der bei der Geburt nicht einmal 1000 Gramm gewogen hat, jede erdenkliche ärztliche Hilfe zu Teil wird. „Ich fühle mich hier sehr gut betreut“, sagt sie und erzählt, wie freundlich und hilfsbereit Ärztinnen und Ärzte und Pflegekräfte sind. Nachdem Pavel anfangs nur durch künstliche Beatmung am Leben gehalten werden konnte, so geht es ihm jetzt richtig gut. Er nimmt kontinuierlich zu und muss jetzt nur noch lernen selbst genug zu trinken. Als seine Mutter von dem Tag erzählt, als er erstmals mehr als ein Kilo auf die Waage brachte und das von den Ärzten und Pflegenden regelrecht gefeiert worden ist, schießen ihr Tränen in die Augen: „Das hier ist wie eine große Familie“. Solches Lob freut auch den Chefarzt der Kinderklinik, Professor Dr. Andreas Holzinger. Ihm und seiner „tollen Truppe“ ist es ein großes Anliegen, den Anforderungen, die an ein Perinatalzentrum mit dem Level 1 gestellt werden, gerecht zu werden. Damit Schwangere, denen eine Frühgeburt droht, nicht weit weg von ihrer Heimat in Krankenhäuser eingewiesen werden müssen, sondern wohnortnah versorgt werden können. Es macht eben einen Unterschied, ob man von Wallhausen nach Schwäbisch Hall fährt, oder nach Ulm, Heilbronn, Stuttgart, Nürnberg oder Würzburg fahren muss.
Dass das Perinatalzentrum im Diak-Klinikum bis heute Level 1 hat, ist einer Ausnahmeregelung zu verdanken, die das Regierungspräsidium Stuttgart nach Verhandlungen von Sozialminister Manne Lucha mit den Krankenkassen erteilt hat. Doch die ist bis Ende 2025 befristet. Und die Landesverbände der Krankenkassen haben schon deutlich zum Ausdruck gebracht, dass eine Verlängerung nicht erfolgen soll.
In der Angelegenheit hat Landrat Gerhard Bauer bereits mehrere Briefe an Sozialminister Manfred Lucha in Stuttgart geschrieben. Es wäre „höchstproblematisch“, schreibt Bauer, wenn dem Diak das Level 1 entzogen würde und eine wohnortnahe Versorgung der kleinsten Frühchen dann nicht mehr vorhanden sei. Der Landrat verweist insbesondere darauf, dass das Land Baden-Württemberg ein Normenkontrollverfahren gegen die Mindestmengenregelung vorbereitet. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA), das höchste Beschlussgremium im deutschen Gesundheitswesen, hat die Mindestmenge mit Wirkung ab 2024 von 20 auf 25 heraufgesetzt. Durch den Gang vor das Bundesverfassungsgericht ergebe sich, so Bauer, eine „neue Situation“ und es verbiete sich, vor einer höchstrichterlichen Entscheidung vollendete Tatsachen zu schaffen. „Bewährte und später kaum mehr wiederaufbaubare Strukturen“ dürften jetzt nicht leichtfertig zerstört werden. Das sieht im Übrigen auch Dr. Jürgen Ludwig, Landrat des Landkreises Ansbach, so. Er verweist in einem Brief an Sozialminister Lucha darauf, dass das Perinatalzentrum am Haller Diak Klinikum auch für die Bevölkerung im Raum Ansbach „von sehr großer Bedeutung“ sei.
Dass auf der politischen Bühne über die Verlängerung der Ausnahmegenehmigung bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes gerungen wird, bekommt Tetiana Voinovan nicht mit. Ihre ganze Aufmerksamkeit – und auch die von Vater Vitali und Sohn Michael - gilt dem Kleinsten in der Familie, gilt Pavel. Er muss sich seit seiner Geburt ins Leben kämpfen, Tag für Tag. Dass sie dabei von ihrer „großen Familie“, vom Team der Diak-Kinderklinik so tatkräftig unterstützt wird, sei ein Geschenk, für das sie sich immer wieder nur bedanken könne. Wieder bekommt sie feuchte Augen. Sie weiß: Trotz aller Erschwernis der frühen Geburt hat Pavel Glück gehabt, er hat das Licht der Welt in einer Kinderklinik mit der Zertifizierung Perinatalzentrum Level 1 erblicken dürfen, im Diak Klinikum in Schwäbisch Hall.