Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind in Deutschland die häufigsten Todesursachen. Prof. Dr. med. Alexander Bauer, standortübergreifender Chefarzt der Kardiologie am Diak Klinikum und am Klinikum Crailsheim beantwortet häufig gestellte Fragen zur Herzgesundheit.
Die Ursachen von Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind multifaktoriell, wobei die Genetik und der Lebensstil eine wichtige Rolle spielen. Daher rückt die Prävention immer mehr in den Vordergrund. Zu den typischen und häufigsten Risikofaktoren einer koronaren Herzerkrankung (Verengung der Herzkranzgefäße) zählen der Bluthochdruck, Rauchen, hohe Blutfette, Diabetes und die Genetik.
Was versteht man unter Genetik?
Gibt es Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Schlaganfälle bei blutsverwandten Familienmitgliedern, dann stellen diese einen wichtigen Risikofaktor dar. Von Bedeutung ist dabei auch das Alter des Auftretens der Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Treten diese vor dem 50. Lebensjahr auf, dann müssen Familienmitglieder alarmiert sein. Viele Menschen haben keine Kenntnis von diesem wichtigen Aspekt.
Wie sollte man sich als Betroffene/Betroffener verhalten?
Ich rate meinen Patientinnen und Patienten, frühzeitig sogenannte Kardio-Check-Ups durchzuführen zu lassen. Die wichtigsten Laborwerte (Diabetes, Blutfette) sollten bereits im Teenageralter bestimmt werden. Eine Reduktion der Risikofaktoren ist unabdingbar.
Wie läuft ein Kardio-Check ab, welche Untersuchungen sind enthalten?
Beim Kardio-Check werden die wichtigsten Laborwerte analysiert. Dazu gehören das Low-Density-Lipoprotein (LDL-Cholesterin), der Nüchternblutzucker und das HbA1c, ein Langzeit-Marker für den Blutzuckergehalt. Das High-Density-Protein (HDL), oft als „gutes Cholesterin“ bezeichnet, spielt keine große Rolle mehr, da seine Rolle hinsichtlich einer Unterdrückung der Arteriosklerose weiterhin unklar ist. Weiter gehören zum Check-Up ein Ruhe-EKG, ein Belastungs-EKG und Ultraschall des Herzens.
Mit welchem Alter sollte man mit den Kardio-Check-Ups beginnen?
Ab dem 40. Lebensjahr würde ich ein erstes Check-Up empfehlen. Die Häufigkeit sollte dann der behandelnde Arzt anhand der erhobenen Befunde festlegen. Im Alter von 40 Jahren beginnen die Verkalkungen der Arterien, die durch Ablagerungen von Fetten, Cholesterin, Bindegewebe und Kalk entstehen. Je nach Risikoprofil (z.B. bei Familienanamnese für eine Herz-Kreislauf-Erkrankung) sollte der Check-Up auch schon früher erfolgen.
Wie kann ein Patient die Risikofaktoren für eine koronare Herzerkrankung reduzieren?
Durch eine konsequente Änderung des Lebensstils. Dabei spielt die Ernährung eine wichtige Rolle. Diese sollte ausgewogen und fettarm sein. Man spricht auch von der mediterranen Kost, die als eine der gesündesten Ernährungsweisen gilt und sich besonders vorteilhaft für das Herz-Kreislauf-System erwiesen hat. Dazu gehören Gemüse, Obst und Kräuter, gesunde Fette (Hauptquelle natives Olivenöl), Hülsenfrüchte (Bohnen, Linsen, Erbsen und Kichererbsen), Vollkorngetreide (Vollkornbrot, brauner Reis, Hafer), Fisch und Meeresfrüchte, Milchprodukte (Joghurt, Käse und Quark in Maßen), Nüsse. Es wirkt sich sehr positiv aus, die weniger verarbeiteten Lebensmittel zu genießen.
Zum protektiven Lebensstil gehört auch eine Gewichtsabnahme. Wir halten einen Body-Mass-Index von 18-25 (Beispiel: ein BMI von 25 bedeutet ein Körpergewicht von 76kg bei einer Größe von 1,75m) für erstrebenswert. Dieser kann durch eine mediterrane Ernährung/Diät und sportliche Betätigung erreicht werden. Hier empfehlen sich mindestens 3 Sporteinheiten über mindestens 30 min/Woche. Dabei ist jegliche sportliche Betätigung erwünscht. Optimal wäre jedoch ein Kardio-Ausdauertraining. Der Genuss von Nikotin sollte auf jeden Fall vermieden werden.
Leider gelingt durch die mediterrane Ernährung lediglich eine Reduktion des LDL-Wertes von 10-15%.
Sollten die Werte nach einer Ernährungsumstellung und bei einer gesunden Lebensweise mit Bewegung und entsprechendem Körpergewicht immer noch erhöht sein, führt kein Weg am Einsatz von Medikamenten vorbei.
Wann ist die Einnahme von Medikamenten grundsätzlich erforderlich?
Bei Patienten mit bereits diagnostizierter koronarer Herzerkrankung ist die Gabe von Cholesterin-senkenden Medikamenten unabdingbar. Als Medikamente der Wahl gelten die Statine. Sollten diese nicht vertragen werden (z.B. bei Muskelschmerzen), dann stehen heute weitere Substanzen zur Verfügung. Der Zielwert des LDL-Cholesteringehaltes im Blut liegt bei Patienten mit koronarer Herzerkrankung < 55 mg/dl. Wird dieser Wert nicht erreicht, dann müssen zusätzliche Substanzen verordnet werden.
Bei gesunden Patienten erfolgt eine medikamentöse Senkung des Cholesterins in Abhängigkeit von den Risikofaktoren. Hierzu gibt es sogenannte Scores, die der Hausarzt oder Kardiologe bestimmen kann. Sind diese Scores erhöht, dann empfehle ich auf jeden Fall die Einnahme eines Cholesterinsenkers. Wir erinnern uns an das Risiko, das diese Krankheit mit sich bringt.
Es gibt auch gelegentlich Patienten, die einen Herzinfarkt erleiden, obwohl keine der gängigen Risikofaktoren vorliegen.
Hier rückt ein Laborwert immer mehr in den Fokus: Das Lipoprotein a, abgekürzt Lp (a). Dieses ist eine Fett-Eiweiß Verbindung, die dem LDL-Cholesterin sehr ähnlich ist. Ein erhöhter Lp (a)-Wert geht mit einer deutlich erhöhten Herzinfarkt- und Sterberate einher. Dieses Protein ist aktuell Gegenstand intensiver wissenschaftlicher Untersuchungen. Bisher gibt es jedoch keine zugelassenen Medikamente, die eine signifikante Senkung des Spiegels ermöglichen. Beim diesjährigen europäischen Kardiologen-Kongress in Madrid wurden erste hoffnungsvolle Studien veröffentlicht. Voraussichtlich in 2-3 Jahren werden Substanzen für den klinischen Einsatz zur Verfügung stehen. Das sind erfreuliche und ermutigende Perspektiven; bis dahin gilt jedoch, möglichst alle anderen Risikofaktoren zu minimieren.
Kann der Lp (a) Spiegel beim Hausarzt getestet werden?
Eine Testung ist möglich, wird aber aktuell noch nicht von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen. In den beiden Kliniken in Schwäbisch Hall und Crailsheim werden die Werte bestimmt, wenn keine anderen Risikofaktoren vorliegen. Der Lp (a)-Spiegel sollte nur einmal im Leben bestimmt werden, da dieser ohne Medikation stabil bleibt.
Zur Person:
Prof. Dr. med. Alexander Bauer ist seit 2010 Chefarzt der beiden kardiologischen Kliniken in Schwäbisch Hall und Crailsheim und Medizinischer Direktor des Klinikums Crailsheim. Seine berufliche Laufbahn führte ihn über die kardiologische Abteilung der Universitätsklinik Heidelberg und einem 2,5 jährigen Aufenthalt in der kardiologischen Klinik der Johns Hopkins University, Baltimore (USA) nach Schwäbisch Hall. Seine Schwerpunkte sind die Behandlung von Herzrhythmusstörungen, der koronaren Herzerkrankung und der Herzklappen.