Wenn sich das Immunsystem gegen den eigenen Körper wendet, ist schnelles Handeln gefragt – etwa durch eine Plasmapherese. Dadurch werden unerwünschte Antikörper durch Austauschen des Plasmas aus dem Körper entfernt. Im Diakoneo Diak Klinikum wird diese Therapie seit dem vergangenen Jahr angeboten.
Roland Schmieder liegt in seinem Bett und grinst bis über beide Ohren. Ein eher ungewohnter Anblick auf der Intensivstation (ITS) des Diak. Fasziniert dreht er die Hände hin und her. „Ich spüre wieder etwas“, freut sich der 62-jährige Oberroter. Auch in seinen Füßen habe er „wieder Gefühl“, klar erkennt er eine Verbesserung seiner Symptomatik durch die Plasmapherese. Schmieder hat eine Autoimmunerkrankung, welche bei ihm unter anderem Lähmungserscheinungen und Nervenschäden hervorruft.
„Auf die Basistherapie mit Cortison und anderen Medikamente hat er wenig reagiert. Heute ist der dritte Sitzung mit Plasmapherese für ihn“, erläutert Dr. Ralf Völker. Der Internist, Gastroenterologe, Intensiv- und Notfallmediziner wurde 2021 Chefarzt des Zentrums für Intensiv- und Notfallmedizin am Diakoneo.
„Es war mir ein Anliegen, diese bewährte Therapie, eine Art Blutwäsche, auch in Schwäbisch Hall anzubieten“, betont Völker. Seit 2013 ist er für das Diak tätig. Mit der Plasmapherese wurde er bereits durch seine vorhergehende Arbeitsstelle im Pforzheimer Klinikum vertraut. „Wenn Antikörper gegen körpereigene Strukturen im Blutplasma vorhanden sind, kann man so helfen. Das Schöne ist: Man sieht den unmittelbaren Therapieerfolg direkt in der Praxis“, blickt Dr. Völker dabei zufrieden auf den Patienten. Etwa 15 Kolleginnen und Kollegen des rund 70-köpfigen Intensivpflegeteams seien bereits für dieses Verfahren geschult worden, berichtet er.
Einer von Ihnen ist Intensivpfleger Andreas Müller. Er kümmert sich an diesem Tag auf der ITS um den 62-jährigen Roland Schmieder aus Oberrot. Dessen Blut wird gerade über einen Halsvenenkatheter mittels einer Pumpe entzogen. Nur ein gleichmäßiges Brummen ist zu hören, Schmieder selbst spürt davon nichts, wie er sagt. „Links sieht man das gefilterte Eiweiß, das zeitgleich ersetzt wird“, erläutert der Pfleger am Bett das Verfahren der Plasmafiltration mit zwei venösen Leitungen. Durch die Entnahme von Vollblut wird die Abnahme des Plasmas und das Zurückführen der verbleibenden Blutbestandteile mit einem Plasmaaustauschstoff ermöglicht. Ersatzeiweiße und Kochsalzlösung werden zugeführt, um den Verlust auszugleichen. „Es gehört nicht zu unseren Routinetherapien, ist aber ein wirklich spannendes Verfahren. Der Umgang mit dem Gerät muss gelernt sein“, betont Müller und zeigt auch den engen Filter, durch den das Blut gepresst wird.
„Ich finde es ganz, ganz toll, dass durch diese Maßnahme wieder ein Gefühl bei unserem Patienten da ist, das war effektiv“, unterstreicht der Chefarzt. Bereits nach der dritten Sitzung ist klar: Roland Schmieder hat von der Plasmapherese profitiert. „Wir machen mit der Therapie noch zwei Tage weiter, da man eine deutliche Erholung feststellen kann“, bespricht er sich mit dem Intensivpfleger. „Wenn Herr Schmieder regelmäßig kommen sollte, wird bei ihm aber für den Zugang noch ein Shunt im Unterarm gelegt, wie man das auch aus der Dialyse kennt, das ist risikoärmer“, so Dr. Völker.
Einen solchen Shunt hat Susanne Konrad bereits. Sie ist Patientin der ersten Stunde im Diak Klinikum nach der Einführung Mitte 2022. Sie hebt auch das Fachwissen von Schwester Ellis hervor, die sie durch ihre erste Therapie am Diakoneo begleitet hat. Alle Vierteljahre kommt Susanne Konrad nun für rund zehn Tage stationär nach Schwäbisch Hall.
Bei chronischen Autoimmunerkrankungen erhält die Patientin oder der Patient in der Regel fünf Therapien. Die jeweilige Sitzungsdauer bei der Plasmapherese ist abhängig vom Austauschvolumen des Plasmas und nimmt meist drei bis vier Stunden an Zeit in Anspruch. Dazwischen liegt jeweils ein Pausentag.
„Die Behandlung ist super“, resümiert Konrad, die am Stiff-Person-Syndrom leidet, einer seltenen neurologischen Erkrankung. „Ich war mehr als happy als ich gehört habe, dass das nun auch ums Eck geht“, so die 65-Jährige aus Kupferzell. „Wenn die Antikörper zunehmen, habe ich noch stärkere Schmerzen, zitternde Beine, alle Gelenke sind steif und ich stürze leicht“, beschreibt sie ihr Krankheitsbild. Mit der Plasmapherese werde die Symptomatik deutlich besser – und das ohne Nebenwirkungen. „Dann ist das Gift wieder draußen“, beschreibt sie das Filtern der krankmachenden Antikörper mit ihren eigenen Worten. „Die Krankheit ist nicht heilbar, weshalb ich nicht mehr ohne Plasmapherese auskomme. Zusätzlich muss ich aber auch Tabletten einnehmen. Ich freue mich jedenfalls, wenn ich wieder ins Diak darf. Wenn die Therapie frisch ist, habe ich im Grunde Ruhe“, fasst sie zusammen.
„Frau Konrad hat chronische Schmerzen und Lähmungserscheinungen und war zuvor bereits seit fünf Jahren in der Uniklinik Würzburg in Behandlung. Umso schöner, dass wir ihr nun wohnortnah helfen können“, nickt Dr. Völker. Patienten aus dem Haller Landkreis müssen bei akuten neurologischen Erkrankungen mit Lähmungserscheinungen auch nicht mehr zu den größeren Zentren wie Unikliniken ausgeflogen werden, sieht er große Vorteile. „Plasmapherese kommt vor allem bei seltenen Krankheitsbildern zum Einsatz, die aber oft akut lebensbedrohlich sein können“, erläutert der Chefarzt.
Akut wird meist ein großvolumiger Zugang zur Halsvene gelegt und zunächst an drei Tagen hintereinander therapiert, um möglichst schnell eine Verbesserung zu erzielen. So geschehen nicht nur bei Roland Schmieder, sondern auch bei Mandy Gijsbrecht aus Schwäbisch Hall. Im vergangenen Sommer begann bei der 33-Jährigen schleichend eine Immunerkrankung, die unter anderem zu akuten Lähmungs- und Nervenstörungen führte. Derzeit ist sie auf den Rollstuhl angewiesen und mit ihren Ärzten noch auf der Suche nach einer Diagnose und idealen Therapie. „Ich habe aber schon empfunden, dass mir die Plasmapherese gut tat“, so ihr Fazit.
„Bei der Plasmapherese werden die krankheitsursächlichen Antikörper herausgewaschen. Mit ihr kann man also eine Vielzahl von Autoimmunerkrankungen behandeln. Jedoch der Körper bildet die später wieder nach“, erklärt Dr. Völker. „Die Sets mit den speziellen Filtern für die Maschine sind durchaus teuer. Aber wir können die medizinischen Geräte dafür nutzen, die bereits für Dialysetherapien bei uns im Einsatz sind“, ist er zufrieden. „Die Plasmapherese ist ein relativ komplikationsarmes Verfahren und wird in der Regel sehr gut vertragen“, unterstreicht der Chefarzt.